Depressionen
Mehr als drei Millionen Menschen in Deutschland leiden an einer Depression. Man geht davon aus, dass ca. fünf bis zwölf Prozent der Bevölkerung mindestens einmal in ihrem Leben an einer behandlungsbedürftigen Depression erkranken. In allen westlichen Industrieländern ist in den letzten Jahren eine Zunahme der Erkrankung zu verzeichnen. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) werden Depressionen im Jahre 2020 auf Platz zwei der größten Gesundheitsprobleme der Erde stehen.
Eine Depression im medizinischen Sinne ist eine behandlungsbedürftige, häufig sehr schwere psychiatrische Erkrankung; sie kann Menschen bis zum Suizid treiben. Ein einheitliches Erscheinungsbild gibt es nicht. Das macht Ärzten die Diagnose und Angehörigen die Hilfe schwer, zumal Depressionen fast immer mit körperlichen Beschwerden einhergehen wie Schlaf- und Essstörungen, Kreislaufproblemen, Kopf- und Magenschmerzen.
Eine zusätzliche Schwierigkeit bereitet die Tatsache, dass somatische (körperliche) Erkrankungen sowohl Ursache als auch Begleiterscheinung der Depression sein können.
Eine Depression beginnt fast immer schleichend, selten über Nacht oder binnen weniger Tage. Etwa doppelt so viele Frauen wie Männer sind von dieser Krankheit betroffen.
Wie erkennt man eine Depression?
Hauptsymptome der Depression sind ständige gedrückte Stimmung, Interesse- und Freudlosigkeit und Verminderung des Antriebs. Zu den weiteren, häufig auftretenden Symptomen gehören Schlafstörungen, wobei sowohl Einschlafstörungen als auch häufiges Erwachen in der Nacht oder exzessiv langer Schlaf auftreten können. Der Appetit ist entweder vermindert mit Gewichtsabnahme oder vermehrt mit Heißhungerattacken. Das sexuelle Interesse lässt nach. Typisch sind starke Tagesschwankungen mit einem Morgentief und abendlicher Besserung.
Im Gegensatz zu Trauer und Verstimmung, die jeder kennt, sind solche Gefühle bei depressiv Erkrankten ein Dauerzustand, aus dem sie ohne ärztliche Hilfe nicht herausfinden. Das Leben hat keine Farbe mehr, nichts erregt Interesse oder macht Freude. Schuldgefühle und Angstzustände bis hin zur Panik, innere Leere, Gedanken an den Tod und Selbstmordphantasien gehören fast immer zum Krankheitsbild.
Wie behandelt man eine Depression?
Depressive Erkrankungen sind gut behandelbar, und zwar:
- medikamentös mit so genannten Antidepressiva,
- seelisch stützend durch Gespräche und/oder längerfristige Psychotherapie,
- durch spezielle Therapieformen wie Elektrokrampftherapie, Lichttherapie oder Schlafentzug.
Medikamentöse Therapie
Antidepressiva machen, entgegen weit verbreiteter Ansicht, nicht süchtig.
Entscheidend ist die regelmäßige Einnahme über einen längeren Zeitraum hinweg. Bei manchen Menschen kann es monatelang dauern, bis Medikamente wirken, während andere nach nur wenigen Wochen Stimmungsaufhellung und Antriebsverbesserung bemerken.
Die häufigsten Nebenwirkungen der Antidepressiva sind Mundtrockenheit, Schwindel, Herzklopfen und Verdauungsbeschwerden.
Psychotherapie
Zu Beginn der Behandlung kann Psychotherapie nur in stützenden und begleitenden Gesprächen bestehen, die betonen, dass es sich um eine vorübergehende Krankheit ohne Zutun oder Verschulden des Patienten handelt.
Bei leichteren Verläufen werden Modifikationen der Verhaltenstherapie angewandt. In jedem Fall sind Vertrauen und Verständnis zwischen Patient und Therapeut wichtiger als die therapeutische „Technik“.
Kaum hilfreich kann eine Psychotherapie sein, die das Selbstbewusstsein des Patienten auf Kosten seiner Angehörigen aufbaut. Da die Familie häufig der letzte soziale Kontakt des depressiven Patienten ist, kann eine Störung der familiären Beziehungen durch den Therapeuten verhängnisvoll sein. Familientherapie ist nur dann zu empfehlen, wenn jedes Familienmitglied individuelle und ausreichende Unterstützung erfährt.
Andere biologische Verfahren
- Elektrokrampfbehandlung
Die Elektrokrampftherapie (EKT) ist ein eher selten angewandtes Verfahren, das in Verruf geraten ist, weil es früher ohne Narkose angewandt wurde. Bei der EKT wird durch einen elektrischen Reiz ein epileptischer Anfall ausgelöst. Die Wirksamkeit der Behandlungsmethode ist belegt. Heute wird die EKT unter Narkose durchgeführt und vor allem bei katatonen Psychosen (Erstarrung bis zur völligen Regungslosigkeit) und therapieresistenten Depressionen eingesetzt. Sie beeinträchtigt den Patienten in der Hauptsache durch vorübergehende Gedächtnisstörungen. Gefahren bestehen bei herzkranken Patienten. Die moderne Anwendungstechnik führt heute zu einer wesentlich besseren Verträglichkeit des Verfahrens.
- Lichttherapie
Die Lichttherapie, bei der sich der Patient längere Zeit einer starken Lichtquelle aussetzt, wird neuerdings insbesondere bei so genannten saisonal abhängigen Depressionen angewendet. Hier ist sie auch wirksam, aber noch relativ wenig verbreitet.
- Schlafentzug
Bei depressiven Erkrankungen wird die Schlafentzugsbehandlung in verschiedenen Variationen eingesetzt. Sie bietet die Möglichkeit, die depressive Symptomatik kurzfristig zu verbessern. Eine anhaltende Wirkung ist jedoch durch den Schlafentzug nicht zu erreichen.
Aussichten
Die meisten Depressionen heilen völlig aus, 40 bis 50 Prozent in den ersten sechs Monaten, 20 bis 30 Prozent nach einem Jahr. Fünf bis zehn Prozent der Patienten bleiben chronisch depressiv, bei etwa 20 bis 30 Prozent ist zwar die Erkrankung ausgeheilt, eine verminderte Belastbarkeit bleibt jedoch bestehen.
Schwere Depressionen sind eine lebensgefährliche Erkrankung. 10 bis 15 Prozent der Patienten sterben durch Suizid. Angehörige sollten Selbstmorddrohungen immer sehr ernst nehmen und sich mit größtem Nachdruck für eine medizinische Behandlung einsetzen, auch vor dem Hintergrund, dass wiederholte Drohungen dieser Art zu einer fast unerträglichen Belastung für die Angehörigen selbst werden können.